Todo santos

Gepostet am 05.12.2018

Todo santos
In meinem jetzt schon über dreimonatigem Aufenthalt in Bolivien hatte ich schon mehrfach die Gelegenheit mitzuerleben, was für ein feierwütiges Volk die Bolivianer sind. Quasi jede Woche gibt es besondere Tage und Feste. Aus diesem Grund freue ich mich auch jeden Sonntag auf die neue Arbeitswoche, denn „normale“ Tage gibt es hier nur wenige. Es ist wirklich schön eine Zeit lang Teil dieser fröhlichen Lebensweise zu sein! Lange Rede kurzer Sinn: in diesem Bericht möchte ich am Beispiel von Allerheiligen einen kleinen Einblick in eine Kultur mit vielen schönen Traditionen ermöglichen.
Am 31. Oktober wurden Chantal und ich nach der Arbeit überaschenderweise in den Salon der Schule gerufen. Dort war ein wunderschöner Altar aufgebaut, es wurde gebetet, Essen und Trinken verteilt. Wir erfuhren, dass das Bild auf dem Altar eine ehemalige Schülerin zeigte, die letztes Jahr in den Ferien auf dem Weg nach Argentinien mit 8 Jahren an einem Autounfall gestorben war. Außer uns waren auch sämtliche Schüler und Lehrer gekommen, um an sie zu denken…
Am Nachmittag nahm uns die Direktorin dann mit in das Haus der Familie. Auch hier war ein wunderschöner Altar mit Blumen, Lieblingsspeisen, Spielsachen, einem Bild und Gebäck dekoriert. Außerdem lief Disneymusik. Die Unterhaltungen der Besucher waren gedämpft, aber es herrschte definitiv keine schlechte Stimmung. Dazu kam, dass Wein, Kuchen und Gebäck serviert wurde. Nach ein paar Minuten machten wir uns wieder auf den Rückweg und bekamen noch eine Schale voll Gebäck mit.
Abends besuchten wir dann „la tumba“, was übersetzt Grab heißt, aber eigentlich die Bezeichnung für einen weiteren Hausaltar ist, eines Jungen, der mit 4 Jahren an Krebs gestorben ist. Auch hier bekamen wir wieder Gebäck und Wein. Interessant fand ich auch, dass die Besucher in ganz normaler Alltagskleidung und auch in Sportklamotten gekommen waren. Uns wurde erklärt, dass heute und am Folgetag die Seelen der Verstorbenen auf die Erde zurückkamen.
Am 1. November besuchten wir dann erneut mit der Direktorin zusammen zwischen 15 und 19 Uhr 7 weitere Hausaltäre (diesmal von Erwachsenen). In jedem Haus konnten wir ganz unterschiedlich dekorierte Altäre sehen. Allerdings fanden wir überall eine Leiter aus Teig, die die Reise zurück in den Himmel erleichtern sollte, Lieblingsspeisen und ein Foto des Verstorbenen. Wer wollte konnte in manchen Häusern auch eine kleine Spende vor den Altar in eine Schale mit Kleingeld legen, denn überall wurde man gut mit Kuchen, Wein, Piña Colada und Gebäck versorgt. Auf den Straßen tummelten sich die Menschen mit schwarzen Plastiktüten, in denen das ganze Gebäck, die „masas“ verstaut werden konnten. Die Häuser mit Hausaltären wurden ebenfalls mit schwarzen Tüten gekennzeichnet. Einige Gruppen von Jugendlichen zogen so von Haus zu Haus und sangen oder beteten für die Verstorbenen und Angehörigen.
Am 2. November hatten alle schulfrei und in den Familien wurde „in Anwesenheit“ der verstorbenen Seelen ein Gericht mit Schwein gegessen, getrunken, getanzt und gefeiert.
Am 3. November wurden dann die Seelen wieder mit Musik, Tanz und gutem Essen verabschiedet. An den letzten beiden Tagen konnten wir leider nicht richtig teilnehmen, da wir ja keine verstorbenen Verwandten oder Freunde hier hatten.
Zum Abschluss möchte ich noch betonen, dass das natürlich ganz persönliche Eindrücke sind. Aber schon die Tatsache, dass Allerheiligen 4 Tage gedauert hat, fand ich sehr beeindruckend. Von einigen anderen Freiwilligen habe ich erfahren, dass in anderen Regionen Boliviens dieses Fest auch anders, aber genauso groß gefeiert wird. Wer sich noch weiter für dieses Thema interessiert, dem empfehle ich den Kinderfilm „Coco“, der die Traditionen von Allerheiligen auch sehr gut verarbeitet hat.