Abenteuer Europawahlen 2019

Gepostet am 06.09.2019

Was macht eine Jugendliche, die das erste Mal an wirklich wichtigen Europawahlen teilnehmen darf, aber ganz weit weg auf einem anderen Kontinent in Bolivien hockt? Für ihr Wahlrecht kämpfen natürlich!
Und das tat ich dann tatsächlich, denn diese Wahlen wurden sprichwörtlich zu einem echten „Wahlabenteuer“.
Die allerersten Informationen über die diesjährigen Europawahlen bekam ich im Januar in meinem Zwischenseminar mit anderen deutschen Freiwilligen. Dort machten wir uns zusammen Gedanken wie die Hürde durch den weiten und teilweise unzuverlässigen Postweg zwischen Deutschland und Bolivien zu überwinden wäre. Damals meinte dann ein Freiwilliger, der in El Alto arbeitet, dass seine Eltern genau zu diesem Zeitpunkt ihn besuchen kämen und diese uns allen die Briefwahlunterlagen mitnehmen könnten. Das waren natürlich tolle Nachrichten! Doch wie es im Leben manchmal so läuft, musste ich dann gut 3 Monate später erfahren, dass die besagten Postboten nun doch schon zu früh nach Bolivien kommen würden und die Unterlagen nicht mitnehmen konnten. Also musste ich einen anderen Weg finden. Zum Glück bekam ich als Weltwärts-Freiwillige ganz automatisch eine Email, in der beschrieben wurde, dass eine Briefwahl mithilfe des Kurierweges möglich sei. Dafür mussten meine Dokumente dann von Leupolz nach Berlin, von Berlin nach La Paz und von La Paz nach Sucre geschickt werden. In Sucre würde ich die Unterlagen dann im Honorarkonsul abholen können. Für meinen Geschmack klang das nicht gerade einfach, aber Potosí liegt halt auch nicht beim Kämmerle um die Ecke… Jedenfalls nahm ich mit der Stadtverwaltung in Wangen Kontakt auf. Dort erfuhr ich, dass das ganze Prozedere ja noch viel zu einfach wäre und ich zuerst einen Briefwahlantrag mit dem Recht überhaupt wählen zu dürfen, beantragen musste. Dafür bekam ich ein Dokument zugeschickt, welches dann auch im Original nach Leupolz kommen müsse. Zu meinem Glück besuchte mich genau in diesen Tagen eine sehr gute Freundin aus Kisslegg, der ich dieses Dokument mitgeben konnte. Allerdings kam mir beim Ausfüllen des Dokuments etwas Spanisch vor, dass ich anzugeben hatte, wann ich mich bezüglich meines Wohnortes umgemeldet hatte und wo ich nun neu registriert war. „Eigentlich müsste ich ja noch in Leupolz gemeldet sein, denn ich habe ja schon vor wieder zurück zu kehren!“, dachte ich mir und fragte auch nochmal nach. Und tatsächlich stellte sich heraus, dass ich ein anderes Dokument ausfüllen musste, welches auch nicht zwangsläufig im Original vorliegen musste. Was für ein Glück! Schließlich war der Antrag gestellt und jetzt musste nur noch die korrekte Empfängeradresse gefunden werden, weil ich ja den Kurierweg benutzen wollte. Als klar wurde, dass eine Adresse in Berlin mit dem Hinweis „für La Paz“ ausreichte, nahm ich über Emailkontakt zu den Ämtern in Berlin, La Paz und Sucre auf. Doch gerade bei der letzten Station im Honorarkonsul in Sucre war die Emailadresse, die ich im Internet gefunden hatte, ungültig und telefonisch wurde mir dann gesagt, dass sie gar nichts mit den Europawahlunterlagen zu tun hätten. Das frustete mich sehr. Zwar hatte ich in der Zwischenzeit die Nachricht bekommen, dass von Wangen aus alles abgeschickt worden war, doch das half mir momentan reichlich wenig, wenn ich nicht wusste, wo ich die Dokumente dann abholen könnte. Es vergingen einige Tage, in denen ich schon fast den Glauben verlor, dass ich würde wählen können. Das änderte sich schlagartig, als ich eine Email bekam, dass am nächsten Tag meine Dokumente in der deutsch-bolivianischen Sprachschule ICBA in Sucre vorliegen würden. Nach einem großen Freudensprung ging ich zu der Oberschwester und bat morgen verreisen zu dürfen. Die Antwort: „Kein Problem, Wahlen sind schließlich sehr wichtig!“ Am nächsten Morgen ging ich also nicht zur Arbeit, sondern fuhr mit einem Taxi nach Sucre. Diesen ganzen Bürokratischen Aufwand hatte ich ja schon die ganze Zeit zu spüren gekriegt, doch als 5 verschiedene, bunte Briefumschläge mit den farblich passenden Wahlzetteln vor mir lagen, wurde das sogar noch verbildlicht. Ich erfuhr, dass schon zwei andere deutsche Freiwillige gekommen waren, um zu wählen und die Direktorin gerade dabei war einen Umschlag für die Botschaft in La Paz vorzubereiten, damit alles auch wieder rechtzeitig zurückkam. Als ich meine Wahl getroffen hatte, war auch sie fertig und machte sich gleich auf den Weg zur Post. Perfektes Timing würde ich mal sagen! Ob meine Unterlagen letztendlich pünktlich in Deutschland angekommen waren, werde ich wohl nie erfahren, aber für mein Gewissen steht auf jeden Fall fest, dass ich tatsächlich alles daran gesetzt habe an der diesjährigen Europawahl teilzunehmen und ich habe die bunten Briefchen ja auch ausgefüllt. Auf jeden Fall freue ich mich schon darauf, wenn ich bei der nächsten Wahl nur die paar Schritte zum leupolzer Rathaus gehen muss!