Das Fest der „Virgen de Copacabana“
In den ersten 2 Wochen im August stand nun der Geburtstag der Schul- und Kirchenpatronin „Jungfrau“ bzw. „Virgen de Copacabana“ auf dem Programm. 9 Tage lang gab es jeden Abend eine Messe zu der immer verschiedene Pfarrer anderer Kirchengemeinden von Potosí geladen waren. Das waren einzigartige Gottesdienste, weil jede einzelne Kirchengemeinde, die zu Besuch war, auch ihre eigenen Musikgruppen mitbrachten und damit frischer Wind und eine tolle Atmosphäre mit in unser Gotteshaus kam. Auch unsere Jugendpastoralgruppe begleitete den ein oder anderen Gottesdienst musikalisch. Am Samstag wurde die ganze Schule mit Hilfe aller Eltern geputzt, gefegt und teilweise sogar neu gestrichen, denn bei diesem Fest sollte alles glänzen und von der besten Seite zu sehen sein. Am Abend gab es im Anschluss an die Messe dann noch ein richtig schönes Fest mit Livebands und Tanzmusik direkt vor der Kirche. So etwas wäre bei uns unvorstellbar, zeigt aber wie gut sich in Bolivien Jugend und Kirche verbinden lassen. Und am Sonntag, dem Hauptfesttag, gab es eine Prozession, bei der ich mit der Kapelle der Schule mitspielen durfte. Die Statue der Maria, bzw. „Virgen de Copacabana“, wurde tanzend durch die Straßen getragen. Zurück in der Kirche wurde es mir schwer ums Herz, denn das waren meine letzten Augenblicke, die ich in der Kirchengemeinde „Copacabana“ und mit den Leuten vom Jugendpastoral verbringen konnte, da es schon am Abend des gleichen Tages wieder auf Richtung Deutschland ging. Allgemein gab es die letzten Tage sehr viele schöne und teils überraschende Abschiedsfeiern. Sowohl die Schwestern, die Lehrer der Schule, viele Schülerinnen, die Schulkapelle und die Jugendpastoralgruppe sagten mir, dass sie sehr traurig über meinen Abschied waren, weil ich ihnen wirklich ans Herz gewachsen war und sie hoffen, dass ich sie nicht zu lange warten ließe, bis ich das nächste Mal nach Potosí käme. Auch mir lag mein Herz schwer wie ein Stein in der Brust beim Gedanken daran, diese zweite Familie, wie sie für
mich geworden war, hinter mir zu lassen. Ein solches Jahr lässt sich eben nicht einfach so schnell abhacken, sondern ich werde noch viele Tage, Wochen, Monate, Jahre daran zurückdenken, was ich alles in diesem einen Jahr gesehen, erlebt und gelernt habe…
Pfingsten und Besuch der Mienen von Potosi
Am Pfingstfest gab es wieder einige Aktivitäten in der Kirchengemeinde
„Copacabana“. Die schönste Veranstaltung an diesen Tagen fand ich aber mit
Abstand das Zelten mit der Jugendpastoralgruppe vor der Kirchentüre. Ungefähr
25 Jugendliche schlugen im Tempelvorhof 5 kleine, bunte Zelte auf. Es wurde ein
Lagerfeuer entzündet, ein Nudelgericht „Aji de Fideo“ gegessen und einige Impulse zum Thema Gruppenzusammenhalt und Pfingstereignis gestartet. Darauf ging es in die Kirche hinein, wo wir uns gemütlich in warme Decken kuschelten und uns eine Schwester mehr vom Heiligen Geist erzählte. Als wir wieder nach draußen kamen, war es bitterkalt geworden denn schließlich war es zu dieser Zeit schon fast Winter in Bolivien, und wir verkrochen uns recht schnell in den Zelten. Am nächsten Morgen spielten wir ein lustiges Geländespiel mit Spielkarten um die Kirche herum bis uns eine Freundin Milchreis zum Frühstück brachte. Danach machten wir einige Reflexionen zum Thema Toleranz in der Gruppe. Dafür hatte ein Gruppenmitglied tolle Bilder, die zum Thema passten, mitgebracht. Ich persönlich fand dieses Wochenende so gelungen, weil es mir
zeigte, wie die Jugendlichen hier ihren Glauben mit Spaß und Freude ausleben.
In den Winterferien im Juli hatte ich dann die Möglichkeit, meine eigene Stadt Potosí nochmal besser kennenzulernen, denn mit einer geführten Tour besuchten wir die Minen des Silberberges, dem „Cerro rico“, was übersetzt reicher Berg heißt. Die Minen sind noch aktiv und wir liefen vielen verschiedenen Gruppen von Arbeitern über den Weg, die ohne jegliche technische Hilfsmittel mit Meißel und Hammer die wertvollen Steine aus den Wänden schlugen, zerkleinerten und damit vor sortierten, bevor diese mit Loren nach draußen befördert wurden. Es ist eine körperlich wirklich sehr anstrengende Arbeit, weil einfach alles händisch erledigt wird. Wegen des Feinstaubes, der dort ständig in der Luft liegt, ist für jeden Mienenarbeiter klar, dass er vermutlich nicht älter als 50 Jahre werden wird und damit versucht jeder von ihnen seine Lebenszeit mit schönen Dingen (gute Kameradschaft, Feste und Familie) auszufüllen. Schon junge Burschen werden von ihren Vätern hin und wieder in die Mine mitgenommen, damit sie gute Zukunftschancen haben, falls es mit der Schule nichts wird. Die Hierarchie in den Mienen orientiert sich ganz klar an Wissen und Erfahrung der einzelnen Arbeiter. Es gibt viele verschiedene Kooperationen, die Arbeiter beschäftigen, ihnen das Recht zum Abbauen der Minerale geben und dafür einen gewissen Prozentsatz der Gewinne bekommen. Ein Arbeiter hat keine festen Arbeitszeiten und kann kommen und gehen wann er will, das heißt wenn er Geld braucht arbeitet er lange und hart und wenn er gerade kein Geld braucht, kommt er eben nicht wenn er keine Lust hat. Sehr interessant ist auch die Legende vom „Tio“, genannt Onkel. Er ist der Teufel, der aber nicht als schlecht oder böse angesehen wird, sondern den Schutzpatron der Menschen unter der Erdoberfläche verkörpert. Ich persönlich hatte den Eindruck dort in den Minen in einer ganz anderen Welt gelandet zu sein. Es war unglaublich eindrucksvoll, sehr interessant und trotzdem gängelte mich mein Gewissen, weil unsere Gruppe voller Touristen die arbeitenden Leute wie Anschauungsobjekte im Zoo anstarrte.
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